Monday, April 20, 2009

Which Bitch? review (Germany)

Rated 3.5/5

Das zweite Album der vier Schotten, nach "Hats Off To The Buskers", erfindet die Rockmusik nicht neu, zeigt aber, wie wichtig die Liebe zum Detail ist. Da haben wir zum Beispiel den Eröffnungssong "Typical Time 2", der sich anhört wie ein vergnügter Abend im Pub: Einer klimpert etwas auf dem alten Piano in der Ecke, der andere holt die Mundharmonika aus der Hosentasche, und irgendjemand singt dazu. Ein unprätentiöser kleiner Spaß, den Sänger Kyle Falconer unterwegs aufgenommen hat, als Gruß an die Freundin.

Doch dann kommt "5 Rebbeccas" und lässt es mächtig krachen. Das Schlagzeug rollt erbarmungslos nach vorne und wird dort auch den Rest des Albums über bleiben. Dahinter röhren die Gitarren, eine ganze Mauer, schwer verzerrt finden sie ihren jangelnden Rhythmus. Der hymnische, aber nicht pathetische Gesang erzählt von alten Schulzeiten. "Unexpected" beginnt düster und handelt dann auch vom unerwarteten Tod des Vaters von Kyle Falconer, die Streicher am Ende klingen sehr angemessen, das gesamte Arrangement hat fast etwas Altmeisterliches.

Das folgende "Temptation Dice" klingt deshalb etwas platt, denn es ist die Sorte sanft vom Punk geküsster Polter-Rock, die seit Jahrzehnten aus den schottischen und irischen Hochländern dringt. Was machen Big Country eigentlich heute? Ein gewisse U2-haftigkeit muss man The View in dieser Hinsicht ebenfalls attestieren, wegen des stolzen Musikantentums und des episch weiten Sounds. Womöglich sind The Killers auch ein wichtiger Einfluss. Das von Oliver Kraus orchestrierte "Distant Dubloon" kommt dann wieder aus einer ganz anderen Ecke: Angeblich inspiriert von Gustav Mahler, klingt es eher nach einem Musical - einem guten allerdings.

Produziert wurde "Which Bitch?" von Owen Morris, dem Mann hinter Klassikern wie "(What's The Story) Morning Glory" und "A Northern Soul" von The Verve. Und auch bei The View hat er einen guten Job gemacht und dafür gesorgt, dass eine Menge passiert in den Songs: Streicher, Bläser, komische Breaks - langweilig wird es selten. Da kann sich so manche englische Rockband mal ein schönes Stück abschneiden, von diesem Sonntagsbraten von einem Album. (1965 Records)

Jürgen Ziemer, Rolling Stone

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